
Wieder sind Dutzende Menschen vor der libyschen Küste ertrunken. Es ist längst keine unvorhersehbare Katastrophe mehr, sondern ein grausames Muster, das sich seit Jahren wiederholt. Die zentrale Mittelmeerroute ist die tödlichste Fluchtroute der Welt – und Europa schaut zu.
Statt ein funktionierendes, staatlich getragenes Seenotrettungsprogramm aufzubauen, wird die Verantwortung ausgelagert: an die sogenannte libysche Küstenwache, die international für Menschenrechtsverletzungen bekannt ist. Ausgerechnet sie soll das Sterben verhindern – doch in Wahrheit wird die Flucht nur noch gefährlicher.
Die europäische Politik setzt auf Abschreckung. Aber die Bilder von überfüllten Booten, von Menschen, die ihr Leben riskieren, zeigen das Scheitern dieser Strategie. Wer verzweifelt vor Krieg, Folter und Armut flieht, wird nicht von Stacheldraht und Patrouillenbooten abgehalten. Er wird nur gezwungen, noch riskantere Wege zu gehen.
Solange sichere Fluchtwege fehlen, wird das Mittelmeer ein Massengrab bleiben. Europa trägt dafür die Verantwortung – und die Schuld. Die Frage ist nicht, ob wieder Menschen ertrinken werden. Sondern nur: wie viele morgen, wie viele nächste Woche, wie viele in den kommenden Monaten.
Das Sterben ist politisch gewollt – und genau deshalb könnte es auch politisch beendet werden.

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